Pfandidos

EINE DOKUMENTATION VON ACTION FILM



Pfandidos – Vom Rave-Traum zur Clubrealität: Wie ein Berliner Kollektiv aus der Pandemie eine Bewegung machte

Berlin, Frühjahr 2020. Die Welt stand still. Clubs geschlossen, Festivals abgesagt, die Stadt versank im leisen Rhythmus des Ausnahmezustands. Doch dort, wo andere das Licht ausknipsten, fingen ein paar junge Leute erst an, ihre eigene Bühne zu bauen. In verlassenen Wäldern, auf stillgelegten Parkplätzen und versteckten Lichtungen begannen sie, das zu tun, wofür Berlin weltweit bekannt ist: feiern. Wild, unkontrolliert, frei. Der Name ihres Kollektivs: Pfandidos.





Die Geburt der Pfandidos: Raus aus der Stadt, rein in den Wald

Was in den ersten Monaten der Pandemie wie ein schlecht geplanter Campingausflug wirkte, entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zur Szene-Legende. Eine Gruppe Freund:innen – DJs, Fotografen, Kreative, Organisator:innen – lud Musik-Equipment auf klapprige Transporter, verstaute Stromgeneratoren zwischen Schlafsäcken und Bierkästen, und verschickte über WhatsApp GPS-Koordinaten, die kurz darauf in pulsierende Freiluft-Partys verwandelten.

Der Sound der Pfandidos war roh, die Bässe rollten durch Baumkronen, Stroboskoplichter blitzten zwischen Kiefern. Es war Techno, aber nicht nur. Disco, Acid, Breakbeats – es wurde gespielt, was kickt. Improvisation war Methode, Anarchie Konzept. Und als der Polizeiwagen kam? War der Wald leer und nur der Duft von Rauch und Beats in der Luft.





Freundschaft als Fundament: Die Clique hinter der Bewegung

Der Kern der Pfandidos bestand aus einer eingeschworenen Freundesgruppe. Niemand hatte eine Roadmap, aber alle hatten das gleiche Ziel: Musik machen, frei sein, zusammen feiern. Aus dieser Energie entstand ein Name, der bald durch die Szene geisterte wie ein Mythos: Pfandidos – eine ironische Referenz an Flaschensammler, an Rebellen und vielleicht auch ein bisschen an sich selbst.

Pfandidos

Foto: © Emil Schwarz

Sie waren nicht anonym. Im Gegenteil. DiskoJochen wurde zur Kultfigur, ebenso wie DJ Brechstange, Ginger B, OG Shemon, HØLLE, DJ Tipster, Havylicious, Dagobird, Osiris und weitere Künstler:innen, deren Namen sich von Rave zu Rave weiterverbreiteten – Flurfunk der Berliner Untergrundszene.





Von der Lichtung auf die Bühne: Die “offizielle Zeit” beginnt

 

pfandidos berlin

Foto: © Emil Schwarz

Als sich 2021 die ersten Türen wieder öffneten, trat das Kollektiv aus dem Dickicht der Wälder in das neongetränkte Licht der Clubs. Zuerst waren es kleinere Venues – intime Spots mit zu kleinen Tresen, zu wenigen Toiletten und überforderten Türstehern. Doch auch das gehörte zum Pfandidos-Charme: Chaos, das elektrisiert.

Schnell sprachen sich die Partys herum. Wer einmal da war, wollte wiederkommen. Die Pfandidos-Events waren anders. Keine standardisierten Bookings, kein kalkuliertes Marketing – dafür Ekstase, Nähe und ein Gefühl von Zugehörigkeit.

Spätestens mit dem Umzug ins Suicide Club auf dem RAW-Gelände war klar: Die Pfandidos waren gekommen, um zu bleiben.




Energetics & Lokschuppen: Pfandidos erschaffen eigene Räume

Die logische Konsequenz: eigene Veranstaltungsreihen. Unter dem Titel ENERGETICS entwickelten sie ein Format, das nicht nur durch Line-ups, sondern durch Atmosphäre bestach. Lichtinstallationen, Visuals, Performances – nichts wurde dem Zufall überlassen, auch wenn alles nach Freiheit aussah.

Seit der Umbenennung des Suicide Clubs in Lokschuppen Berlin sind die Pfandidos dort regelmäßig präsent – als Gastgeber, DJs, Kuratoren. Was geblieben ist: das Gefühl, Teil eines kollektiven Vibes zu sein, in dem Ego und Kommerz keine Rolle spielen.





Action Film & Emil Schwarz: Der Blick hinter den Beat

Wo die meisten feiern, beobachtet Emil Schwarz. Als Creative Visual Director – oder, wie sie intern sagen, “das Auge der Pfandidos” – ist er nicht nur dabei, sondern mittendrin. Schwarz, Gründer von Action Film, dokumentiert die Pfandidos seit ihren ersten Ausflügen ins Dickicht. Er hat sie gefilmt, fotografiert, inszeniert und ihnen geholfen, ihre visuelle Identität zu formen.

Von den ikonischen Live-Fotos über Aftermovies bis zu Studio-Shootings für Social Media – Schwarz ist der Mann hinter den Bildern, die viral gingen, als das Kollektiv „steil ging“ auf Instagram, TikTok und Co. Seine Kamera ist Zeuge einer Bewegung, die sich nie wirklich filmen ließ – und doch durch ihn ein Gesicht bekam.





Sound, Stil, Subversion: Was macht die Pfandidos so besonders?

Während viele Kollektive sich über Genre definieren, stehen die Pfandidos für das Gegenteil: Vielfalt. Ihre Events sind musikalisch durchlässig – mal roh, mal verspielt, mal brachial. Und immer tanzbar. Sie lieben Techno, ja, aber auch Acid, House, Disco, Dub – ein Patchwork aus Stilen, das sich nie anbiedert und nie verliert.

Auch ihre Ästhetik ist ein Statement. Zwischen DIY und hochprofessionell, zwischen Berliner Trash-Charme und dystopischem Glam. Sie recyceln, remixen, rebellieren – in ihrer Kleidung, ihrem Lichtdesign, ihren Eventplakaten.





Netzwerke statt Hierarchien: So funktioniert das Pfandidos-Kollektiv

Die Pfandidos sind kein Unternehmen, keine GmbH, keine Agentur. Sie sind ein Netzwerk. Entscheidungen werden kollektiv getroffen, Bookings abgestimmt, Ideen diskutiert. Diese flache Struktur ist gleichzeitig Antrieb und Herausforderung.

Neue Mitglieder kommen durch Vertrauen, nicht durch Bewerbung. Wer reinwill, muss erstmal da sein – beim Aufbauen, beim Kabeltragen, beim ersten Warm-up-Set um 22 Uhr, wenn der Floor noch leer ist. Das macht die Pfandidos zu dem, was sie sind: kein Projekt, sondern ein Lebensgefühl.





Die Zukunft? Elektrisierend offen.

Und wohin geht es jetzt? Die Pläne für 2025 stehen in den Startlöchern. Eine eigene Clubtour durch Deutschland ist angedacht, ein Festivalformat ist in der Diskussion, Kooperationen mit Visual Artists aus Barcelona und Tbilisi sind in der Pipeline. Was bleibt, ist das, was sie groß gemacht hat: Authentizität.

Vielleicht liegt darin das wahre Geheimnis der Pfandidos: Sie machen es nicht für Geld, nicht für Fame. Sondern weil sie nicht anders können. Weil der Beat sie zieht, wie der Mond das Wasser. Weil jede Party ein kleines Stück Utopie ist.





Fazit: Pfandidos – mehr als ein Kollektiv, eine Bewegung

Die Pfandidos sind ein Phänomen der Berliner Clubgeschichte. Sie stehen für eine Generation, die sich nicht mit dem Status quo zufrieden gibt. Die Kunst, Musik, Freundschaft und Selbstverwirklichung in einem pochenden, bassgetränkten Moment vereint.

Und durch die Linse von Emil Schwarz und Action Film bleibt diese Geschichte nicht nur Erinnerung, sondern wird festgehalten – Frame für Frame, Bild für Bild.

Was als Waldflucht begann, wurde zu einem Symbol: Für Aufbruch. Für Gemeinschaft. Für Freiheit im Takt der Nacht.



pfandidos

Foto: © Emil Schwarz